Geriatrie abrechnen – so geht's
Die Leistungen zur Versorgung geriatrischer Patienten sind geregelt im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). Da sich Mitglieder immer wieder die Frage stellen, welche Leistung in welcher Konstellation und wann abgerechnet werden kann, gibt dieser Artikel einen Überblick über
- EBM-Abschnitt 3.2.4 und die GOP der hausärztlichen geriatrischen Versorgung
- EBM-Abschnitt 30.13 und die GOP der spezialisierten Geriatrie
- die Rolle des Hausarztes in der spezialisierten Geriatrie
- die Rolle des spezialisierten Geriaters
- Besonderheiten, wenn spezialisierte Geriater und Hausärzte in einer BAG/ einem MVZ arbeiten
- Besonderheiten, wenn Ärzte gleichzeitig Hausarzt und spezialisierter Geriater sind.
Hausärztlich geriatrische Versorgung
Über den Abschnitt 3.2.4 EBM können Hausärzte bei ihren geriatrischen Patienten die folgenden Gebührenordnungspositionen (GOP) abrechnen.
*gemäß bundeseinheitlichem Orientierungspunktwert 2021 (11,1244 Cent)
Patienten müssen aufgrund ihrer Krankheitsverläufe einen geriatrischen Versorgungsbedarf aufweisen und bestimmte Kriterien erfüllen: Höheres Lebensalter (ab vollendetem 70. Lebensjahr) und geriatrietypische Morbidität (Patienten, bei denen mindestens ein nachfolgendes geriatrisches Syndrom dokumentiert ist) und/oder
Vorliegen eines Pflegegrades
- Multifaktoriell bedingte Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Altersschwindel
- Komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art
- Frailty-Syndrom (Kombinationen von unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/ oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität)
- Dysphagie
- Inkontinenz(en)
- Therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom
Vorliegen einer der folgenden Erkrankungen
- F00-F02 dementielle Erkrankungen
- G30 Alzheimer-Erkrankung
- G20.1 Primäres Parkinson-Syndrom mit mäßiger bis schwerer Beeinträchtigung
- G20.2 Primäres Parkinson-Syndrom mit schwerster Beeinträchtigung auch bei Patienten, die das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Spezialisierte Geriatrie
Die Leistungen für die spezialisierte geriatrische Diagnostik (Abschnitt 30.13 EBM) sind für Patienten mit einem besonders aufwändigen geriatrischen Versorgungsbedarf bestimmt. Spezialisierte Geriater ermitteln den individuellen Behandlungsbedarf eines Patienten und erstellen einen Behandlungsplan. Der Vertragsarzt (in der Regel der Hausarzt), der den Patienten überwiesen hat, nutzt diesen dann für das Einleiten und Koordinieren geeigneter, wohnortnaher Therapiemaßnahmen.
*gemäß bundeseinheitlichem Orientierungspunktwert 2021 (11,1244 Cent)
**Vertragsärzte mit Zusatzbezeichnung Geriatrie sowie Fachärzte für Innere Medizin und Geriatrie; für Innere Medizin mit Schwerpunkt Geriatrie; für Innere Medizin / Physikalische und Rehabilitative Medizin / Allgemeinmedizin mit geriatrischer Qualifikation
Patienten müssen aufgrund der Art, Schwere und Komplexität ihrer Krankheitsverläufe einen besonders aufwändigen geriatrischen Versorgungsbedarf haben und folgende Kriterien erfüllen: Höheres Lebensalter (ab Beginn des 71. Lebensjahres) und Vorliegen von mindestens zwei der nachfolgenden geriatrischen Syndrome oder mindestens ein nachfolgendes geriatrisches Syndrom und eine Pflegestufe gemäß § 15 SGB XI:
- Multifaktoriell bedingte Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Altersschwindel
- Komplexe Beeinträchtigung kognitiver, emotionaler oder verhaltensbezogener Art
- Frailty-Syndrom (Kombinationen von unbeabsichtigtem Gewichtsverlust, körperlicher und/oder geistiger Erschöpfung, muskulärer Schwäche, verringerter Ganggeschwindigkeit und verminderter körperlicher Aktivität)
- Dysphagie
- Inkontinenz(en)
- Therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom
Voraussetzung: Ergebnisse des geriatrischen Basisassessment (GOP 03360) liegen vor. Das Assessment darf nicht länger als ein Quartal zurückliegen. Außerdem muss der geriatrische Versorgungsbedarf mit einer entsprechenden Diagnose (ICD-Code) dokumentiert sein.
Der Hausarzt ist zuständig für
- das hausärztlich geriatrische Basisassessment (GOP 03360) und
- den hausärztlich geriatrischen Betreuungskomplex (GOP 03362)
- die Einleitung und Koordination der Therapiemaßnahmen (GOP 30988 als Zuschlag) nach spezialisierter geriatrischer Diagnostik.
Der Hausarzt entscheidet bei dem geriatrischen Basisassessment (GOP 03360), ob der geriatrische Patient Leistungen aus dem Abschnitt der spezialisierten Geriatrie benötigt. Wenn ja, tauscht er sich mit einem spezialisierten Geriater aus: Der Hausarzt rechnet hierfür die 30980 ab und der spezialisierte Geriater die GOP 30981.
Wichtig: Wenn Hausärzte die GOP 30980 abrechnen, muss der Name des spezialisierten Geriaters, der die 30981 abrechnet, im freien Begründungstext (Feldkennung 5009) angegeben werden; Ausnahmen gibt es bei einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) / einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Ein geriatrisch spezialisierter Arzt nach Abschnitt 30.13 Nr. 2 EBM benötigt immer eine Genehmigung der KVH, daher reicht es nicht aus, wenn der Hausarzt sich mit einem Klinikarzt austauscht.
Ebenfalls Aufgabe des Hausarztes ist es, die Therapiemaßnahmen nach einer spezialisierten geriatrischen Diagnostik einzuleiten und zu koordinieren. Der spezialisierte Geriater stellt dem Hausarzt dafür einen Behandlungsplan zur Verfügung. Der Hausarzt rechnet dann die GOP 30988 als Zuschlag beispielsweise zur GOP 03362 ab.
Voraussetzung für den Zuschlag GOP 30988: Der spezialisierte Geriater muss zuvor das weiterführende geriatrische Assessment nach der GOP 30984 durchgeführt haben. Danach müssen die Therapiemaßnahmen (Zuschlag GOP 30988) innerhalb von vier Wochen eingeleitet und durchgeführt werden.
Für die Abrechnung der GOP 03362 müssen die Ergebnisse eines geriatrischen Basisassessments entsprechend den Inhalten der GOP 03360 und/ oder eines weiterführenden geriatrischen Assessments nach GOP 30984 vorliegen.
Service: Hausärzte finden spezialisierte Geriater in Hessen in der Arztsuche Hessen.
Für die GOP 30981 (Vorabklärung) und die GOP 30984 bis 30986 (Durchführung des weiterführenden geriatrischen Assessments) benötigen Ärzte eine Abrechnungsgenehmigung der KVH.
- Vor jeder spezialisierten geriatrischen Diagnostik muss geklärt werden, ob der Patient dafür geeignet ist. Dies findet ohne Patientenkontakt zwischen dem spezialisierten Geriater und dem überweisenden Vertragsarzt statt. Der Geriater rechnet dafür die GOP 30981 ab.
- Spezialisierte Geriater führen das weiterführende geriatrische Assessment (GOP 30984 bis 30986) im Rahmen eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontaktes aus. Der Hausarzt (beziehungsweise Fachärzte in Kooperation mit Hausärzten, siehe Tabelle) des Patienten stellt hierfür eine Überweisung aus (Ausnahmen: bei einer BAG/MVZ oder einer Personalunion).
Zum spezialisierten geriatrischen Assessment gehören zum Beispiel Selbstversorgungsfähigkeiten, Mobilität, Kognition, Emotion, instrumentelle Aktivitäten sowie soziales Assessment (wie soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/ außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/ Hilfsmittelbedarf) jeweils in mindestens fünf Bereichen einschließlich einer Anamnese und einer körperlichen Untersuchung des Patienten.
Der spezialisierte geriatrische Arzt erstellt anhand der Testergebnisse und Untersuchungen einen individuellen schriftlichen Behandlungsplan für den überweisenden Vertragsarzt.
Hausärzte und spezialisierte Geriater, die zusammen in einer BAG oder einem MVZ tätig sind, können das weiterführende geriatrische Assessment nach der GOP 30984 ohne Überweisung abrechnen.
Voraussetzung: Die Notwendigkeit ergibt sich über das hausärztlich geriatrische Basisassessment (GOP 03360). In diesen Fällen kennzeichnen Ärzte die beiden Leistungen für die Vorabklärung mit „D“: GOP 30980D (Hausarzt) und 30981D (spezialisierter Geriater). Die GOP 30980D und 30981D müssen von unterschiedlichen Ärzten der Praxis abgerechnet werden.
Somit ist die Vorabklärung in BAG und MVZ berechnungsfähig. Die Vergütung der Vorabklärung erfolgt aufgrund des geringeren Abstimmungsaufwandes bei gemeinschaftlicher Behandlung zu 50 Prozent.
Für Hausärzte mit Spezialisierung Geriatrie, die sowohl nach Nr. 1 als auch Nr. 2 der Präambel des Abschnitts 30.13 EBM abrechnen dürfen, entfällt die Überweisungspflicht. Bei den eigenen Patienten können sie ein weiterführendes geriatrisches Assessment mit der GOP 30984 abrechnen.
Voraussetzung: Die Notwendigkeit muss durch einen anderen mitbeurteilenden Geriater bescheinigt werden. Der mitbeurteilende Geriater stellt die Bescheinigung formlos aus und rechnet die Abklärungspauschale nach der GOP 30981 ab. Die Mitbeurteilung kann sowohl im Rahmen einer persönlichen Vorstellung des Patienten als auch anhand schriftlicher Unterlagen erfolgen.
Hausärzte, die spezialisiere Geriater und in einer BAG/MVZ tätig sind, können je nach Patient entweder in der beschriebenen Konstellation für BAG/MVZ abrechnen oder in der beschriebenen Vorgehensweise für Hausärzte und spezialisierte Geriater in Personalunion.
Geriatrisch spezialisierte Ärzte können nur nach Abschnitt 30.13 EBM abrechnen, wenn sie bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. Sie müssen einen Antrag bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) stellen, die wiederum die Abrechnung genehmigen muss.
Ansprechpartner
EBM-Hotline
Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Europa-Allee 90
60486 Frankfurt